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Kommentar

Es war von Anfang an eine Nebelkerze: 44 Milliarden Dollar für einen Mikrobloggingdienst, der seine besten Jahre eindeutig schon hinter sich hatte – warum tat sich Elon Musk das an?

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„Es gab in der Social Media-Ära wohl keinen Dienst, der sein Potenzial mit solcher Konsequenz verschleudert hat wie Twitter“, meint **MEEDIA-Autor Nils Jacobsen** – Illustration: Bertil Brahm

Sicher, da ist die Sache mit der Relevanz. Twitter skaliert zwar nicht im Entferntesten wie Instagram und wächst nicht mal wie Snapchat, aber die vermeintlich geistige Elite der Welt verbreitetet und duelliert sich hier seit 16 Jahren. Donald Trump ist das Musterbeispiel für Aufstieg und Fall in 280 Zeichen. 

Standen hinter Musks Move am Ende also politische Motive? Schließlich outete sich der reichste Mann der Welt als (zukünftiger) Republikaner-Wähler. Als neuer Twitter-Besitzer konnte und wollte Musk die Verbannung des streitbaren Ex-Präsidenten nämlich wieder aufheben. Daraus dürfte in absehbarer Zeit nichts werden, denn Musk will drei Monate nach der vollmundigen Übernahmeankündigung nichts mehr vom Social Media-Pionier wissen, der ihm im April noch 44 Milliarden Dollar wert war. 

**Elon Musk bleibt sich mit der Rolle rückwärts treu**. Sein Verhalten ist so erratisch wie vor vier Jahren, als er auf dem Höhepunkt der Tesla-Krise mit einem Börsenrückzug kokettierte und im Podcast von Joe Rogan am Joint zog. Der Unterschied: Vier Jahre später ist Musk dank des mirakulösen Höhenflugs der Tesla-Aktie um das 25-Fache vermögender und kann sich als immer noch reichster Mann der Welt so ziemlich jeden Blödsinn leisten, selbst eine scheinbare Akquisitionsabsicht in zweistelliger Milliardenhöhe, die er dann doch nicht durchzieht.

Gut möglich, dass Musk seine Twitter-Posse am Ende mehr als die festgeschriebene Break-up-Fee von einer Milliarde Dollar kostet, die für den Howard Hughes des 21. Jahrhunderts dennoch nicht mehr als die viel zitierten Peanuts sind – an einem gewöhnlichen Handelstag schwankt Musks Vermögen mal schnell um zehn oder mehr Milliarden Dollar.

**Wirklich bitter ist die Sache indes für Twitter**. So sehr von uns Journalisten geliebt, so gibt es doch gleichfalls in der gesamten Social Media-Ära wohl keinen Dienst, der sein Potenzial mit solcher Konsequenz verschleudert hat wie Twitter. Twitter hätte alles sein können: eine veritable Facebook-Alternative, das erste Instagram oder wenigstens ein hochprofitables News-Medium vom Schlage Bloombergs.

Irgendwann in der vergangenen Dekade hätte Twitter 100 Milliarden Dollar wert sein müssen. Die von Musk angebotenen 44 Milliarden Dollar waren während des bereits laufenden Börsencrashs der Tech- und Internetaktien der letzte, wirklich allerletzte Zahltag, der an Microsofts Yahoo-Offerte vor der großen Finanzkrise erinnerte. Ein ungewöhnlicher, aber nicht unverdienter Scheck für Pionierarbeit.

Ob Twitter der Musk'sche Kulturschock gutgetan hätte, ist die eine Frage. Gewiss, es wäre ein Neustart mit offenem Ausgang gewesen. Was nun jedoch folgt, ist absehbar. Twitters Management wurde gedemütigt und angezählt. Durch die Klage gegen Musk auf Durchsetzung der Übernahme ist das US-Unternehmen strategisch handlungsunfähig, mutmaßlich auf Jahre. Das Spiel ist aus. Twitter gleicht einer geschlagenen Südstaaten-Armee, die ihren neuen Großgrundbesitzer nun darauf verklagt, nach erster Weigerung bitte doch noch übernommen zu werden. Ein entwürdigenderes Ende dieses stolzen Social Media-Dienstes kann man sich kaum vorstellen. Aber es ging schließlich nie ohne Drama bei Twitter.

Die Elon-Musk-Saga: bitter für Twitter