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**Herr Schwarzkopf, wir wollen über das Nachrichtenjahr 2022 sprechen. In der Vorbereitung habe ich nach den wichtigsten Ereignissen gesucht. Klar, der Ukraine-Krieg fällt einem sofort ein – und bei dem bin ich letztlich immer wieder gelandet. Fallen Ihnen andere Ereignisse ein?**

Auch ich habe vor dem Gespräch geschaut und bin zum gleichen Schluss gekommen. Es gab in den letzten Monaten als US-Korrespondent auch andere wichtige Themen, etwa die Wiederauferstehung des Donald Trump. Aber letztlich ging es immer wieder um den Ukraine-Krieg und die Folgen.

**Sie waren in diesem Jahr – mit Pausen – rund 16 Wochen in der Ukraine.** **Sie haben schon aus anderen Kriegsgebieten berichtet. Was unterscheidet die Ukraine von früheren Einsätzen?**

Es war deutlich intensiver.

##### Zur Person

Steffen Schwarzkopf, 1973 in Berlin geboren, ist seit über 20 Jahren als Reporter aktiv. Eine seiner ersten Stationen war beim Berliner Lokalfernsehsender 1A Fernsehen, wo er zum Chefreporter aufstieg. Ende der 90er-Jahre gab es eine Festanstellung im N24-Reporterpool, das heute Welt TV ist. 

Als Korrespondent, Kriegsreporter und inzwischen Chefreporter bei "Welt" hat er bereits aus Ländern wie dem Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien berichtet. Von 2016 bis 2022 hat der das Washington-Studio von Welt TV geleitet. Im Jahr 2022 hat er mehrere Monate lang aus der Ukraine vom Krieg berichtet.

Am 23. Dezember sendet Welt TV das Format "'Welt'-Reporter – Der Jahresrückblick 2022" um 20.05 Uhr. Dort wird Schwarzkopf mit Moderatorin Lena Mosel über die Ukraine sprechen.

**Warum?**

Bei Einsätzen in Syrien oder Afghanistan gab es zwar immer wieder Fronteinsätze. Aber zum Beispiel in Libyen, als wir mit den Rebellen unterwegs waren, waren es eher „Front-Ausflüge“. Wir haben uns an der Front eine Stunde aufgehalten und haben uns danach wieder auf relativ sicheres Terrain zurückziehen können. In der Ukraine waren der Krieg und die Front jederzeit dort, wo man selbst war. Die Bedrohung war überall präsent. Und ein Faktor, der dazukam: die Familie. Bei den bisherigen Einsätzen herrschte dort das Gefühl vor, dass es kontrollierbar ist; in der Ukraine war es das nicht. Dementsprechend hatte meine Familie größere Ängste. Ich war in Kiew zeitweise einer der letzten, deutschen Journalisten vor Ort. Da kam daheim der Gedanke auf: So viele ziehen sich raus. Warum nicht auch du, Steffen? Das zu diskutieren, war schwierig.

**Warum machen Sie es immer wieder?**

Ich möchte den Ausdruck "News-Junkie" vermeiden, weil das nicht zutrifft. Aber ich bin so viele Jahre im Geschäft, dass ich den Anspruch habe, bei Weltereignissen dabei zu sein. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es irgendwie gut gehen wird, auch wenn das blauäugig wirken mag. Die Einstellung hilft, dass die Angst nicht die Überhand gewinnt.

**Zu Kriegsbeginn gab es die Diskussion darüber, welche Sender vor Ort sind oder aus Sicherheitsgründen darauf verzichten. Wie hat es sich entwickelt?**

Zu Beginn gab es zwei amerikanische Networks, die BBC, dänische Kollegen und Kollegen wie Paul Ronzheimer von der "Bild". Das Hotel, in dem wir waren, hatten wir mehr oder minder für uns allein. Als ich nach der ersten einwöchigen Pause zurückkam, war das Hotel plötzlich voll. In der Zwischenzeit hatten viele entschieden, doch aus Kiew und anderen Gebieten zu berichten. Vom Sender wurde ich in punkto Sicherheit von Beginn an unterstützt. Welche Routen sind befahrbar? Welche Gebiete muss ich meiden? In der zweiten Jahreshälfte war es so, dass weniger Kollegen vor Ort waren. Das lag gar nicht an der Gefahr in der Ost- und Südukraine, sondern vor allem daran, dass viele Networks entschieden hatten, wieder auf andere Themen setzen zu müssen.

**Gab es bei der „Welt“ Diskussionen darüber?**

Die gab es. Und zusammen mit der Chefredaktion kamen wir schnell zum Entschluss, dass wir präsent bleiben. Nicht mehr mit bis zu fünf Teams gleichzeitig - das haben wir reduziert, aber wir wollen als Reporter weiterhin von vor Ort berichten. Das entspricht dem Informationsbedürfnis unseres Publikums, wie man es beispielsweise auf unserem YouTube-Kanal sehen kann. Ein Video vom "Welt"- Nachrichtensender zur Lage in der Ukraine ist in den YouTube-Trends 2022 auf Platz 8 vertreten. Wir setzen 2023 unsere Berichterstattung über den Krieg fort.

> "Wir wollen als Reporter weiterhin von vor Ort berichten. Das entspricht dem Informationsbedürfnis unseres Publikums."

**[Im Interview mit DWDL.de](https://www.dwdl.de/magazin/87505/auch_im_kriegsgebiet_herrscht_eine_gewisse_konkurrenz/?utm_source=&utm_medium=&utm_campaign=&utm_term=) haben Sie im Frühjahr gesagt, dass Ihre Arbeitstage in der Ukraine Minimum 15 Stunden dauern, immer unter Strom. Wie gehen Sie mit der Normalität in der Heimat um?**

Es ist ein seltsames Gefühl in die Normalität zurückzukehren, wenn du wochenlang in einer Ausnahmesituation gelebt hast und der Helm samt schusssicherer Weste die ganze Zeit zur Ausstattung gehörten. Plötzlich bist du in Berlin und kümmerst dich wieder um Mathearbeiten oder den nächsten Geburtstag. Im ersten Ukraine-Einsatz habe ich jeden Tag in Kiew oder anderswo die Einschläge gehört. Als dann daheim im Hof die Müllabfuhr schepperte, war mein erster Gedanke eben nicht Müllabfuhr, sondern Einschlag. Das ging nach ein paar Tagen wieder weg.

**Wie schätzen Sie den Fortgang des Ukraine-Kriegs in 2023 ein?**

Alle Kriege enden irgendwann und alle Kriege enden am Verhandlungstisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es - wie von der Ukraine erhofft - bis spätestens zum Sommer der Fall ist. Dass sich die russischen Truppen von allen besetzten Gebieten, auch von den besetzten Regionen vor dem 24. Februar, zurückziehen. Ich gehe davon aus, dass uns der Krieg das ganze Jahr beschäftigen wird.

*Steffen Schwarzkopf war dieses Jahr an vielen Brennpunkten dieser Welt dabei (zum Vergrößern anklicken) – Fotos: Welt TV*

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Steffen Schwarzkopf aus Doha

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Als Korrespondent in Washington

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Im März aus der Nähe von Irpin

**Im Juli ist Ihre Zeit als US-Korrespondent in Washington nach rund sieben Jahren zu Ende gegangen. Was hat sich seitdem geändert?**

Eine große Veränderung ist, dass meine Nächte länger sind als in den USA. Das ist sehr angenehm. Dort ging es gerne bis zwei Uhr morgens wegen des Welt-TV-Sendestarts in Deutschland um sechs Uhr morgens, also Mitternacht zu meiner Zeit. Gerade zu Trumps Amtszeit gab es immer etwas zu Berichten, so dass ich bis zu vier Mal in der Woche nachts raus musste plus die Tagschichten. Aktuell arbeite ich nachhaltiger, nicht mehr nur von Tag zu Tag. In Berlin kann ich Projekte planen, Reportagen vorbereiten und mehr Recherche betreiben.

**Etwas weniger Donald Trump im Reporterleben ist vielleicht nicht verkehrt.**

Ich gehe schwer davon aus, dass ich den Kollegen Michael Wüllenweber beim Präsidentschaftswahlkampf und den Vorwahlkämpfen unterstützen werde. Und ganz ehrlich: Darauf freue ich mich schon ein bisschen. Nicht falsch verstehen, ich vermisse Donald Trump nicht. Aber das intensive Beobachten der Politik im Weißen Haus und die Verrücktheit des US-Wahlkampfs gefallen mir.

**Blicken wir auf die Fußball-WM, wo Sie zuletzt als Reporter waren. An der Fifa und an Katar gab es viel Kritik. Was für ein Land haben Sie vorgefunden?**

Eine ganz treffende Metapher dafür ist: ein großartiger Spielplatz für alle WM-Touristen und Fans. Den haben die Eltern, um im Bild zu bleiben, hervorragend eingerichtet. Dann haben die Eltern gesagt: Hier, spielt mal schön. So war es tatsächlich. Von der Organisation war das Event weitestgehend perfekt. Nur, die Gastgeber haben sich schnell rausgezogen.

**Wie meinen Sie das?**

Katar hat das Event als Marketing-Tool genutzt, wie man es vorher erwarten konnte. Aber die Katarer waren bei den Spielen kaum präsent, auch nicht in den Fan-Zonen. Präsent waren die Gastarbeiter. Damit meine ich nicht nur die Gastarbeiter, die die Stadien gebaut haben, sondern jene Menschen, die in Krankenhäusern, dem Transportwesen oder der Gastronomie arbeiten. Die haben das zu einer WM der Gastfreundschaft gemacht.

> "Es gab schon andere sehr herausfordernde Jahre, aber 2022 ist überschattet von negativen Ereignissen, ohne dass es positive Nachrichten gibt."

**Es gab Sorgen wegen der Drehauflagen und möglicher Einschränkungen der Pressefreiheit. Haben Sie derartige Erfahrungen gemacht?**

Wir waren eine knappe Woche vor Turnierbeginn da und hatten einmal vor dem Stadion die Situation, dass uns Polizisten aufgefordert haben, das Stadiongelände zu verlassen. Wir haben auf die Drehgenehmigung verwiesen und konnten letztlich 100 Meter weiter entfernt drehen. Damit war die Polizei zufrieden. Abgesehen davon hatten wir keine Probleme. Ich hatte mit mehr Hindernissen gerechnet, aber die Sicherheitskräfte haben einen schnellen Lernprozess durchlaufen.

**Ukraine-Krieg, Inflation, Klimakrise, immer noch Pandemie - der ein oder andere mag das Gefühl haben, dass 2022 besonders negativ war. War es extrem krisengeschüttelt oder ein normales Nachrichtenjahr?**

Es war ein besonderes Jahr. Denn wir erleben etwas, von dem wir gedacht haben, dass es das so nicht mehr gibt. Es ist viele Jahrzehnte her, dass auf europäischen Boden ein Krieg mit 10.000 und möglicherweise 100.000 Toten getobt hat. Mit Blick auf meine Laufbahn gab es schon andere sehr herausfordernde Jahre, aber 2022 ist überschattet von negativen Ereignissen, ohne dass es positive Nachrichten gibt. Die Fußball-WM ist ja eigentlich ein schönes Ereignis, doch das Turnier hatte von vornherein einen negativen Touch. Denn es war klar, dass die WM von anderen Diskussionen überschattet sein wird. Im Gegensatz zu früheren Turnieren habe ich mich als Reporter nicht darauf gefreut.

**Wie schaffen Sie es, die ständig negativen Nachrichten abzuschütteln und Distanz zu wahren?**

Als Reporter immer die Distanz zu wahren, fällt ein bisschen schwer. Ich versuche möglichst neutral zu berichten, aber oft sieht man das Leid der Menschen und da maße ich mir nicht an, dass ich es immer zu 100 Prozent schaffe. Zur Distanz: Ich habe das Glück, dass ich ein anderes Leben mit der Familie habe. Es kommt immer wieder vor, auch in der Ukraine, dass ich einen heftigen Arbeitstag habe. Dann klingelt das Telefon im Hotel, der Sohn ist dran und fragt: "Papa, wir haben morgen einen Mathe-Test. Kannst du mir die Bruchrechnung erklären?" Das erdet mich.

**Was hilft noch beim Abschalten?**

Ich laufe viel, mache seit Jahren Marathon und Triathlon. Das Training habe ich auch in der Ukraine fortgesetzt und bin morgens oder abends gejoggt. Das hilft mir wirklich, um den Kopf freizubekommen.

"Als Reporter immer Distanz zu wahren, fällt schwer"