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Wochenrückblick

"Rattenhafte Verbissenheit" – wenn Medienanwälte die Contenance verlieren

Ein ehemaliger "Zeit"-Kolumnist verteidigt einen Filmregisseur gegen einen Vergewaltigungsvorwurf, der in der "Zeit" erhoben wurde. Medienanwälte können auch mal deftig werden. Es wird viel darüber diskutiert, wie wahrhaftig Dokumentarfilme sind. Und – guck an – die Deutschen haben wieder mehr Vertrauen in die Medien. Die MEEDIA-Wochenrückblick-Kolumne.

Stefan Winterbauer16.04.2021 13:16

Guten Tag! Auch diese Kolumne meldet sich nach der Oster-Woche "in alter Frische" zurück. Eine Sache sei mir als Nachlese erlaubt: Haben Sie nicht auch ein bisschen komisch geguckt, als der frühere "Zeit"-Kolumnist und Bundesrichter Thomas Fischer im "Spiegel" (€) plötzlich als Strafverteidiger von Dieter Wedel grüßte? Fischer war während und nach seiner Zeit am Bundesgerichtshof streitbarer und viel gelesener Kolumnist bei "Zeit Online". Als die "Zeit" dann Vorwürfe von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung gegen den Regisseur Dieter Wedel publik machte, kam es zum Bruch zwischen dem Medium und seinem Kolumnisten. Bei MEEDIA kritisierte Fischer als Gastautor das Vorgehen und die Berichterstattung der "Zeit" massiv und bezeichnete sie u.a. als "Tribunal". Nun hat er sich ganz offiziell auf die Seite Wedels begeben und verteidigt diesen für die Kanzlei Gauweiler & Sauter. Für Wedel ist die Verpflichtung Fischers gewiss ein Glücksgriff. Der Mann ist nicht nur versierter Jurist, sondern man darf annehmen, dass er aus seiner Zeit bei der "Zeit" auch noch allerlei Insider-Wissen über das Zustandekommen der damaligen Berichterstattung mitbringt. Könnte vielleicht nützlich sein. Neben Fischer und Peter Gauweiler wird Wedel noch von der Anwältin Dörthe Korn verteidigt. Sie ist dabei, weil eine Frau gewisse Dinge im "Sexualbereich" möglicherweise "sensibler" betrachte als die beiden Herren, wie sie im "Spiegel" sagt. Das muss man auch erst mal sacken lassen. Wie dem "Spiegel" (für den Fischer aktuell kolumniert) zu entnehmen ist, haben die Wedel-Anwälte die Magazin-Journalisten zu einem Pressegespräch geladen. Diese offensive Art der Anwalts-Kommunikation (Litigation-PR) rund um einen Vergewaltigungsprozess finde ich nicht nur hier irritierend. Mindestens ebenso seltsam, wie die Tatsache, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte ihre Sicht auf spektakuläre Prozesse heute auch sehr gerne via Pressemitteilungen mitteilen.

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