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Wochenrückblick

Der "Spiegel"-Report zur Bad-Kleinen-Story ist weder ein "Machwerk" noch ist er "absurd"

Der "Spiegel" legte diese Woche den Kommissionsbericht zur alten Bad-Kleinen-Titelgeschichte "Der Todesschuß" vor. Und erntete Widerspruch von den betroffenen Ex-Redakteuren. Joachim Steinhöfel setzte sich vor Gericht gegen Correctiv wegen eines falschen Faktenchecks durch. Es gab ein Nachspiel in Sachen Chebli vs. Tichy. Und Gabor Steingarts Media Pioneers landeten im Fettnapf. Die MEEDIA-Wochenrückblick-Kolumne.

Stefan Winterbauer30.10.2020 14:23
Stefan Winterbauer –
Stefan Winterbauer – Illustration: Bertil Brahm

Der Abschlussbericht der Spiegel-Aufklärungskommission zur Titelgeschichte über den Antiterroreinsatz in Bad Kleinen am 27. Juni 1993, der in dieser Woche veröffentlicht wurde, ist aus mehreren Gründen sehr lesenswert. Einmal zeichnet der Bericht – soweit dies mit dem zeitlichen Abstand möglich ist – minutiös die Vorgänge rund um die hoch umstrittene und folgenreiche Geschichte von Star-Reporter Hans Leyendecker nach. Am Ende bleiben erhebliche Zweifel an den widersprüchlichen Darstellungen Leyendeckers, es habe zwei unabhängige Quellen gegeben, die eine Quasi-Hinrichtung des Terroristen Grams durch einen GSG9-Beamten in Bad Kleinen bestätigt hätten. Zwar ist nunmehr auch klar, dass zumindest die eine Quelle Leyendeckers keine "Erfindung" war, wie teilweise gemutmaßt wurde. Der Bericht wirft aber auf Leyendeckers Rolle in dieser Geschichte kein gutes Licht. Ebenso kommt die damalige Spiegel-Chefredaktion (Wolfgang Kaden und Hans Werner Kilz, wobei letzterer die Bad-Kleinen-Geschichte betreute) nicht gut weg. Fast alles ist anders bei dem Fall Relotius und dem Fall Leyendecker, aber eine Gemeinsamkeit scheint es zu geben: allzu großen Respekt, einem hoch dekorierten Star-Schreiber innerhalb des Redaktionsbetriebs kritische Fragen zu stellen. Der Bericht ist kein "Machwerk", wie Kilz in der Süddeutschen ätzt. Hans Leyendecker selbst findet den Bericht – wenig überraschend – auch nicht gut. Dass der Spiegel der damaligen Chefredaktion Fehler in der Sache vorwerfe, sei absurd, sagte er gegenüber der DPA: „Die damalige Chefredaktion hat alles Notwendige gemacht. Mit dieser Art Berichterstattung schadet der Spiegel der notwendigen Diskussion über Fehler im Journalismus.“

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