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Trump-Cover vom Spiegel entzweit Medienmacher: von „Weltklasse“ bis „Hetze pur“

Die Branche debattiert über den aktuellen Spiegel: Sascha Lobo (li.), Julian Reichelt und Lars Haider (re.)
Schon lang hat die Branche nicht mehr derart engagiert über einen Spiegel-Titel gestritten wie über das aktuelle Cover. Während Chefredakteur Klaus Brinkbäumer die Titelseite nicht gerade für „wahnsinnig provokant“ hält, sagen seine Kollegen auf MEEDIA-Anfrage doch etwas ganz was anderes. Die Einschätzungen reichen von „Weltklasse“ (Christoph Schwennicke), über „das Cover ist ein Erfolg“ (Ulf Poschardt) und „der Titel trifft den Punkt“ (Philipp Jessen) bis „der Titel schürt Hass“ (Helmut Markwort) und „infam“ in typischer Titanic-Lesart (Tim Wolff).
Ulf Poschardt, Chefredakteur Die Welt, N24, Welt am Sonntag: „Das Cover ist ein Erfolg, weil alle darüber sprechen. Das freut mich für Klaus Brinkbäumer. Mir gefällt das aktuelle Economist-Cover besser, und generell wäre allen Medien, insbesondere in Deutschland, zu wünschen, statt Hysterie Aufklärung und Hintergründe zu liefern. Oder wie ein gewisser Rudolf Augstein empfohlen hätte: schreiben, was ist.“
Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke-Zentralredaktion Berlin: „Auf jeden Fall ein Titel, der Aufmerksamkeit erzeugt. Ich hätte ihn wohl nicht gemacht, weil für mich die echten Kopfabschneider in einer ganz eigenen Liga spielen. Aber das Ziel der Kollegen ist erreicht: Man spricht über das Heft.“
Das mit Abstand abstoßendste und geschmackloseste @DerSPIEGEL Cover aller Zeiten. @realDonaldTrump als Jihadi John. https://t.co/B0jvuR85oH
— Julian Reichelt (@jreichelt) February 3, 2017
Michael Bröcker, Chefredakteur der Rheinischen Post: „Das Spiegel-Cover ist ein PR-Coup und ich freue mich für die Kollegen über die internationale Aufmerksamkeit. Inhaltlich ist die Darstellung des US-Präsidenten als IS-Schlächter überzogen, unnötig und kontraproduktiv. Eigentlich braucht der Journalismus derzeit eher Maß und Mitte als die Bazooka. Natürlich ist die Kunst frei, aber sie ist auch kein Freibrief. Feinsinnige Ironie kann übrigens auch wehtun. Und was bliebe dem Spiegel noch, wenn Trump Bomben werfen, Oppositionelle verfolgen oder foltern lässt?“
Michael Schaper, Chefredakteur von Geo Epoche: „Ungewöhnliche Zeiten verlangen ungewöhnliche Cover. Der Spiegel zeigt Flagge, und das erscheint mir derzeit nötiger denn je.“
Sebastian Matthes, Chefredakteur HuffingtonPost Deutschland: „Was in den vergangenen 14 Tagen in den USA passiert ist, übersteigt sicher einige der schlimmsten Befürchtungen von Donald Trumps Kritikern: Er spaltet sein Land und setzt Freiheitsrechte aufs Spiel. Das hat das Magazin New Yorker treffend und scharf mit der erloschenen Kerze der Freiheitsstaue auf sein Cover gebracht. Der Spiegel hat sich für eine krassere Option entschieden. Dem Marketing hat der weltweite Wirbel um das Cover sicher geholfen. Dass es im Umgang mit Trump hilft, halte ich für fraglich. Denn was will der Spiegel auf seinen Titel drucken, wenn die Situation wirklich eskaliert? Medien machen einen Fehler, wenn sie Woche für Woche den Weltuntergang ankündigen. Denn wenn der dann wirklich vor der Tür steht, hört niemand mehr zu. Viele amerikanische Medien haben aus meiner Sicht einen klügeren Weg gewählt: Sie setzen auf Recherche und klare Analyse. Das könnte ein Weg sein, sicherzustellen, dass die Menschen auch in Zukunft zuhören. Das muss unser Ziel sein. Denn es geht aktuell um sehr viel. „
In einer früheren Version war fälschlich ein Zitat von Constantin Schreiber. Wir haben das Zitat gelöscht und bitten den Fehler zu entschuldigen.