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Marketing

*Von Godo Röben*

Jetzt haben tatsächlich (fast) alle Marktteilnehmer begriffen, dass die Entwicklung der alternativen Proteine kein Hype ist, sondern der Anfang einer dauerhaften Umstellung der Welternährung. „Ist das nicht etwas übertrieben?“, werden einige denken. Keinesfalls, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die zu den größten Lebensmittelkonzernen der Welt gehörenden Hersteller Unilever und Nestlé ihr komplettes Wurstgeschäft (Bifi, DuDarfst, Herta) verkaufen. Stattdessen beschäftigen sie sich nur noch mit vegetarischen und veganen Alternativen wie dem Vegetarian Butcher und Garden Gourmet. Wenn Mittelständler wie Rügenwalder Mühle, Wiesenhof, Müller Milch, Frosta, Katjes und Haribo – um nur einige zu nennen – nicht ohne die Alternativen auskommen.

##### Zur Person

Godo Röben arbeitete die meiste Zeit seines bisherigen Berufslebens beim Wursthersteller Rügenwalder Mühle, zuletzt als Geschäftsführer für Marketing und Forschung&Entwicklung. Er transformierte Rügenwalder zu einer Firma, die ihren Umsatz etwa hälftig mit pflanzlichen und tierischen Produkten erzielt. Insgesamt war Röben 25 Jahre lang bei dem Unternehmen im norddeutschen Bad Zwischenahn. Seine Karriere begann er nach einem BWL-Studium in Bremen bei Coca-Cola, ging anschließend zu Carlsberg nach Schottland. Dann begann auch schon die Zeit bei Rügenwalder, wo er 2021 ausstieg.

Aktuell hat er mehrere Gremienjobs inne, zum Beispiel bei der Molkerei Bauer (Aufsichtsrat), Bundesverband der Alternativen Proteine (Vorstand) und beim Land Niedersachen „Ernährung der Zukunft“ (Beirat)

Wenn Burger King ankündigt, bis 2030 „50 Prozent vegan“ zu werden, und jegliche Systemgastronomen wie McDonald‘s, Subway, Ikea und Co. diesen Ansprüchen hinterhereifern. Wenn die größten Fleischkonzerne der Welt wie Tyson, JBS, Danish Crown und selbst unser größter deutscher Schlachter Clemens Tönnies vegane Marken kreieren und sich an veganen Startups beteiligen will, dann merkt selbst der konservativste Hersteller tierischer Produkte, dass er diese Veränderung nicht mehr ignorieren kann.

Dieselben Veränderungen gibt es bereits seit Jahren im Milchmarkt und nach der Milch und der Wurst sind jetzt die Fische, die Eier, der Käse und die Schokolade dran. Jegliche tierischen Produkte werden in Zukunft eine bessere pflanzliche Kopie haben. Von der Tafelschokolade über das Ei fürs Omelette bis hin zum Garnelenspieß. Besser für das Klima, besser für die Welternährung, besser für die Gesundheit und besser für die 60 Milliarden Tiere, die jedes Jahr geschlachtet werden. Die Fische noch nicht einmal eingerechnet.

##### Milliarden Euro werden in Startups investiert

Aus all diesen Gründen werden aktuell etliche Milliarden Euro für neue vegane Startups ausgegeben. Kein Family Office und kein Venture Capital Fond kann seinen Geldgebern mehr ohne ein veganes Portfolio unter die Augen treten. Der Markt explodiert – auch wenn Beyond Meat und Oatly gerade ein paar Dellen in die Bewertung bekommen haben – und jeder fragt sich, wie man sich sein Stück vom tierfreien Kuchen abschneiden kann. Die eine richtige Lösung für dieses Aufgabe gibt es nicht, denn in diesem Markt gibt es viele Wege nach Rom.

> "Wenn Verbraucher etwas über eine Firma in einem Bericht lesen, im Podcast hören oder im TV-Bericht sehen, ist das glaubwürdiger als bezahlte Werbung."

Es wird die geben, die für diesen neuen Markt, die alten allgemeingültigen Pfade der Werbung verlassen werden. Meistens sind dies Startups, denn die haben den Vorteil, dass sie die Bürde des (tierischen) Alten nicht mit sich herumtragen müssen. Neue Player wie Beyond, Oatly, Greenforce oder Perfeggt können provozieren, dürfen den alten Markt angreifen, dürfen Petitionen gegen tierische Produkte starten und dürfen die Politiker und die Old Economy vor sich hertreiben. Hier geht es oftmals eher um Kampagnen als um Werbung. Das hat mehrere entscheidende Vorteile.

Kampagnen kosten wesentlich weniger als normale Werbung, bei der man jeden analogen oder digitalen Spot, jede Social-Aktivität, jede Anzeige bezahlen muss. Mit einer Kampagne provoziert man und viele Medien berichten bereitwillig darüber. Gratis. Dazu kommt das Thema Glaubwürdigkeit. Wenn der potentielle Käufer etwas über eine Firma in einem Bericht liest, im Podcast hört oder im TV-Bericht sieht, ist das alles glaubwürdiger als jegliche bezahlte Werbung.

Neben den neuen Playern wird es die Konzerne geben, die sich in dem Markt tummeln. Meistens warten sie in neuen Märkten ab, bis sich abzeichnet, dass dort wirklich etwas Großes entsteht und dann kaufen sie sich den interessantesten Anbieter im Markt. Das Gute für die Konzerne ist, dass irgendwann jeder käuflich ist. Vom Vegetarian Butcher (Unilever) bis Alpro (von Danone für 12,5 Mrd. Dollar gekauft).

Jetzt kommt es darauf an, wie der Konzern mit seiner neuen Perle umgeht. Meines Erachtens macht Unilever einen richtig guten Job beim Vegetarian Butcher. Ähnlich wie bei der konzerneigenen Marke Ben & Jerry‘s lassen sie die alte DNA, so weit es irgendwie geht, am Leben. Hier wird der Gründer noch auf jeder Packung gezeigt und die Geschichte, dass er der größte vegetarische Schlachter der Welt werden will, wird weiter befeuert. Nicht jeder Konzern geht so vorsichtig mit seinen Neuerwerbungen um. Aber Unilever macht das richtig gut.

##### Die Old Economy hat es besonders schwer

Neben den Konzernen und den Startups gibt es ja noch die Old Economy. Dort geht es um die Firmen, die die tierischen Segmente groß gemacht und mit ihren Produkten und Geschichten geprägt haben. Rügenwalder und Wiesenhof. Landliebe und Müller Milch. Ritter Sport und Milka. Diese Firmen haben immer die Last, wie der Saulus auszusehen, der zum Paulus wird. Denn sie haben die tierische Branche so mit aufgebaut, wie sie aktuell nun einmal ist. Dort den richtigen Ton zu finden, ohne sich selbst anzuklagen beziehungsweise zu banal zu klingen, ist fast unmöglich. Daher gibt es hier auch keinen allgemein gültigen Weg.

> "Rügenwalder, Wiesenhof, Landliebe, Müller Milch, Ritter Sport, Milka… diese Firmen haben immer die Last, wie Saulus auszusehen, der zum Paulus wird."

Meine Idee für die Rügenwalder Mühle war es, einfach ehrlich zu sein und unsere Kunden mitzunehmen auf die Reise. Wir haben keine neue Firma für die Veggie-Marke gegründet, weil wir es vermeiden wollten, am Ende des Weges eine Bad Bank zu haben, die die tierischen Produkte verkauft. Ziel sollte es sein, die Rügenwalder Mühle, in die wir schon so viel Werbegeld und PR gesteckt hatten, weiter zu entwickeln. Meine Hoffnung war, dass der alte Wurstkäufer es gut findet, wenn sich seine Lieblingsmarke weiterentwickelt. Und dass der vegetarische Käufer es anerkennt, dass sich ein traditioneller Hersteller auf den Weg macht. Dass dieser Hersteller verstanden hat: Es muss sich etwas ändern.

##### Ehrlichkeit ist das A und O

Voraussetzung für diesen neuen Weg aber war es, dass die Neuausrichtung erklärt wird. Und das schafft kein Spot, keine Anzeige dieser Welt. Dafür braucht es PR. Und PR bekommt man nur, wenn man ehrlich ist, wenn man auch die negativen Dinge der Branche anspricht. So haben wir immer auch gesagt, dass die Haltungsbedingungen für die Tiere nicht mehr zeitgemäß sind und es besser ist, wenn wir alle 50 Prozent weniger Fleisch und Wurst aus Tier essen. Natürlich provoziert man mit derartigen Aussagen den Handel, der selbst Fleischwerke betreibt. Natürlich klagt einen die eigene Branche an, dass man so etwas sagt. Und natürlich können nicht alle Mitarbeiter und alle Eigentümer einer Firma diesen Weg so mitgehen.

Aber – die Kunden konnten diesen ehrlichen Weg mitgehen. Schon 2021, sechs Jahre nach dem Start der vegetarischen und veganen Rügenwalder-Artikel, lag der Umsatzanteil dieser Range bei weit über 50 Prozent. Und heute gibt es keinen Supermarkt mehr, der nicht auch ein Veggie-Regal führt. Wichtig bei diesem Weg ist es, dass es kein Silodenken gibt. Strategie, Marketing, PR, Nachhaltigkeit, Markenkommunikation und Unternehmenskommunikation sollten möglichst in einem Verantwortungsbereich in der Geschäftsleitung liegen.

So kombiniert man Vorteile von Startups (schnelles Handeln, einer kann alles entscheiden, hohes Anpassungsvermögen an Veränderungen des Marktes) und von erfahrenen etablierten Unternehmen (Kontakte zum Handel, strukturelle Vorteile, finanzielle Kraft).

Diese Mischung kann dann zu einem entscheidenden Vorteil für den Mittelstand führen, damit dieser nicht zwischen den schnellen Startups und den mächtigen Konzernen unter die Räder kommt.

Was vegane Food-Marken zum Erfolg führt