Medien
Wochenrückblick
Warum RTL beim Wendler-Gate glimpflicher davonkommt als Kaufland

Stefan Winterbauer – Illustration: Bertil Brahm
Der Schaden nach dem Wendler-Vorfall dürfte für das Kaufland größer sein als für RTL. Der „Spiegel“ rechnet vor, wie es bei Gabor Steingarts Media Pioneer läuft. Die NDR-Pressestelle kommuniziert mit Fragezeichen. Und ein Revival von „Spitting Image“ sorgt für Kritik. Die MEEDIA-Wochenrückblick-Kolumne.
Da hat sich das Kaufland aber ganz schön verzettelt, wenn man dort gedacht haben sollte, der Wendler ist einfach nur ein irgendwie „kultiger“ Schlager-Trottel. Nein, der Wendler kann auch politisch! Aber halt wieder nur auf Wendler-Niveau. Da liest er stümperhaft seine Verschwörungs-Erklärung in seiner Insta-Story von einem Blatt ab.
Und dann schafft er es noch nicht einmal, den Namen seines Telegram-Underground-Accounts korrekt wiederzugeben, was den Komiker und Promi Big Brother-Insassen Udo Bönstrup dazu inspirierte, einen echten Fake-Account vom Wendler anzulegen.
Ganz schön verwirrend, diese neue Medienwelt. Die Wendler-Medien- und Werbe-Partner Kaufland und RTL sind natürlich entsetzt und kappen alle Verbindungen zum nunmehr toxischen Dödel-Barden. Für RTL hält sich der Verlust in Grenzen. Die geplante Hochzeits-Doku mit Wendler-Herzdame Laura wackelte Corona-bedingt ohnehin bedenklich. Und in der DSDS-Jury kann man den in den Wendler schnell ersetzen, zum Beispiel mit Florian Silbereisen. Seit Ex-DSDS-Juror Xavier Naidoo den Telegram-Tauchgang gemacht hat, hat man beim RTL darin eine gewisse Übung. Beim Kaufland können sie dagegen die ganze teure Kampagne in die Tonne kloppen.
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Media-Pioneer-Impresario Gabor Steingart ist weiß Gott Welten vom Wendler entfernt. Aber auch mit „Steini“ lässt sich nicht jeder gerne öffentlich in Verbindung bringen. Der Spiegel schreibt aktuell (€), dass Steingart bei diversen prominenten Persönlichkeiten abgeblitzt sei, als er diese um Geld anhaute. Genannt werden Verleger Florian Langenscheidt, McKinsey-Partner Khaled Rifai und Ex-VW-Chef Matthias Müller. In Media Pioneer investiert hätten dagegen u.a. der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler, der frühere SPD-Politiker und Zeitungsmanager Bodo Hombach sowie der Drogerie-Unternehmer Dirk Roßmann. Interessant: Friede Springer soll 100.000 Euro aus eigener Tasche in Media Pioneer gesteckt haben. Die Axel Springer SE ist darüber hinaus ja neben Steingart maßgeblicher Gesellschafter bei der Boots-Journalismus-Veranstaltung. Laut Media Pioneer habe man über ein Dutzend „Unterstützer“. Der Spiegel schreibt: „Steingart inszeniert sich als letzten Aufrichtigen der Branche, ganz so, als wären die Qualitätsmedien, deren Teil er lange war, Hörige von Politik und Wirtschaft.“ Das könnte man so ähnlich dann doch auch fast über den Wendler sagen …
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Unternehmen legen zu Recht großen Wert darauf, dass man sie anfragt und eine Stellungnahme einholt, wenn sie Bestandteil einer Berichterstattung werden. Das gilt natürlich auch für Medienunternehmen und natürlich auch für einen so großen Sender wie den NDR. Manchmal, aber nur manchmal schleichen sich Zweifel jedoch ein, ob die Pressestellen von großen und mächtigen Rundfunkanstalten es mit den anfragenden Journalisten wirklich hundertprozentig ehrlich meinen. Diese Woche hatten wir bei MEEDIA zum Beispiel die Geschichte, dass der Anwalt Joachim Steinhöfel eine Pfändung des Beitragsservice beantragt hat, weil der NDR nach einem verlorenen Rechtsstreit mit Steinhöfel die fälligen Gerichtskosten nicht bezahlt haben soll. Nach alter Väter Sitte fragte MEEDIA beim NDR an und holte sich ein scheinbar klares Dementi ab: Alle Verfahrenskosten seien ausgeglichen worden. Aha. Einer musste hier also die Unwahrheit sagen. Aber dass ein öffentlicher Sender auf diese Weise versuchen könnte, Berichterstattung zu unterbinden – undenkbar! Wir berichteten trotzdem inklusive NDR-Stellungnahme. Steinhöfel konnte im Nachgang nun nachweisen, dass die Erstattung der Verfahrenskosten erst am Tag nach Veröffentlichung der MEEDIA-Story auf seinem Konto eingegangen war. Joachim Steinhöfel: „Ihnen hat man aber mitgeteilt, ich unterstelle nach hektischer Anweisung unmittelbar nach Zugang Ihrer Presseanfrage, die Zahlung sei bereits erfolgt und zugegangen und nicht erst eilig nach Presseanfrage und vor deren Beantwortung auf den Weg gebracht worden. Ausgeglichen sind die Forderungen mit Zugang auf meinem Konto, Valuta heute. Die Mitteilung des NDR an Sie ist also die Unwahrheit. Mir ist dies wichtig, da die Erwiderung des Senders meine Glaubwürdigkeit in Frage stellt.“ Dem kann man nichts hinzufügen.
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Vorsicht, „Satire“! Die britische Puppen-Show Spitting Image ist zurück. Kennzeichen der teils deftigen Folgen in den 80er Jahren waren grotesk überzeichnete Puppen von prominenten Persönlichkeiten. So auch heute. Wie die Tagesschau berichtet, sorgte schon der Trailer zur Neuauflage von Spitting Image für reichlich Kritik. Wenig überraschender Grund: Die große Nase von Facebook-Chef Mark Zuckerberg sei antisemitisch, die dicken Lippen von Rapper Kanye West rassistisch und dass es die Macher wagen, von Klima-Aktivistin Greta Thunberg überhaupt eine Karikatur-Puppe anzufertigen … how dare You!? Vielleicht sollten wir das mit der „Satire“ ganz generell einfach abschaffen. Bringt immer nur Ärger. Hier trotzdem der Trailer zur Show. Musste an ein, zwei Stellen lachen …
Schönes Wochenende!
PS: Im Podcast „Die Medien-Woche“ kommen mein Kollege Christian Meier von der Welt und ich natürlich auch nicht am Wendler-Thema vorbei. Wir widmen uns auch ausführlich dem Tod von Herbert Feuerstein, der die geniale Idee hatte, schon zu Lebzeiten einen Nachruf auf sich selbst zu produzieren. Es freut mich, wenn Sie reinhören!