Peinliche Sex-Prahlereien sind für den CEO eines Multimilliarden-Dollar-Unternehmens eine Sache; eine renommierte Journalistin persönlich zu attackieren, eine andere – Tinder-CEO Sean Rad lieferte im britischen Evening Standard letzte Woche beides.
Begonnen hatte alles im vergangenen August, als im amerikanischen Unterhaltungsmagazin Vanity Fair ein für Tinder wenig schmeichelhafter Artikel namens “Tinder and the Dawn of Dating Apocalypse” (zu deutsch: “Tinder und die Dämmerung der Dating-Apokalypse”) erschien – nebenbei bemerkt ein grandioses Stück Journalismus. Tinders Social Media-Abteilung rastete aus und überzog Vanity Fair mit einem Twitter-Gewitter, in dessen Folge Interims-CEO Chris Payne von einen Aufgaben entbunden wurde.
“Hintergrundrecherchen” über Vanity Fair-Journalistin angestellt
Doch auch Paynes Vorgänger und Nachfolger hat die Sache noch nicht vergessen, wie seine Bemerkung im Evening Standard über den Vanity Fair-Artikel deutlich macht. Er habe “Hintergrundrecherchen” über die mehrfach ausgezeichnete Redakteurin Nancy Jo Sales angestellt: “Und es gibt einige Dinge über sie als Mensch, die dazu führen, dass man über den Artikel anders denkt”, behauptet Rad.
Dass der Manager eines börsengelisteten Unternehmens die Anstrengung unternimmt, über eine Journalistin “Recherchen” anzustellen (man könnte auch von Stalking sprechen), ist schon ein ziemlich starkes Stück – es sogar öffentlich am Vorabend vor dem Börsengang auszuplaudern, ein epischer Faux Pas.
Der Konter: Ein offener Brief
Dass sich Medienveteranin Nancy Jo Sales, die seit 15 Jahren für Vanity Fair schreibt (u.a. auch die Reportage, auf der der Film “The Bling Ring” basiert), diese Steilvorlage nicht würde entgehen lassen, war abzusehen. Wenig überraschend konterte die 52-Jährige nur einen Tag später direkt in der Online-Ausgabe von Vanity Fair mit einem Offenen Brief.
Der Tenor ist recht absehbar: beißender Spott. (“Gemäß des Evening Standard-Artikels versendest Du nicht mal Penis-Bilder. Ich weiß, eine Menge Frauen sind dankbar dafür.”) Dann wird Sales direkt und konfrontiert den Tinder-CEO natürlich mit der betreffenden Passage über seine “Recherche”: “Sean, Du und ich wissen, dass Du mich damit persönlich gemeint hast.”
“Wenn Unternehmen Journalisten persönlich nachstellen, bewegen wir uns auf gefährlichem Territorium”
Vor allem jedoch geht es Sales um Grundsätzliches: Das Verhältnis von Internet- und Techkonzernen im Silicon Valley zum Journalismus. “Ich weiß nicht, was deine Kollegen bei Tinder glauben, was Journalismus ist, aber ich glaube nicht, dass es dasselbe ist, was die meisten Journalisten glauben, was es ist”, ist sich Sales sicher.
Dann wird sie direkt: “Wenn die Köpfe von Unternehmen Journalisten persönlich nachstellen, glaube ich, bewegen wir uns auf gefährlichem Territorium. Ich muss nicht herausstellen, dass persönliche Attacken auf Journalistinnen häufiger vorkommen als auf Journalisten”, erinnert Sales den Tinder-CEO, um ihn gleichzeitig zu einer Podiumsdiskussion über Pressefreiheit und geschlechtsspezifische Rollen bei der Pressefreiheit herausfordern. Man ahnt: Die Anzahl von Sex-Dates dürfte Sean Rad in der Debatte nicht unbedingt weiterhelfen…
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