Für jede noch so kleine deutsche Gemeinde – und für jede noch so große Großstadt ermittelt die Verbreitungsanalyse der IVW die Verkaufszahlen der Tageszeitungen. So erfährt man, dass in Hamburg 91.649 Bild-Exemplare abgesetzt werden, dass im niedersächsischen Suhlendorf genau eine Person die Süddeutsche Zeitung kauft – und dass in Leverkusen ein Mensch die Norderneyer Badezeitung abonniert hat. MEEDIA hat sich durch die schier unglaubliche Datenmenge gekämpft und präsentiert in den kommenden Tagen eine Serie mit spannenden Erkenntnissen aus der IVW-VA 2014.
In Teil 1 widmen wir uns dem Zeitungskonsum in den 50 bevölkerungsstärksten Städten Deutschlands – von Berlin (Platz 1) bis Postdam (Platz 50). Wo leben viele Zeitungsleser, wo hat das Medium Papier die wenigsten Freunde. Für unsere Analyse haben wir sämtliche verkauften Tageszeitungen der jeweiligen Stadt Titel-übergreifend addiert und setzen sie ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl.
Auf Platz 1 findet sich München: 403.640 Zeitungen werden dort täglich verkauft – angesichts von 1,37 Mio. Einwohnern ergibt sich ein Wert von 29,5 verkauften Zeitungen pro 100 Einwohnern. Der Top-Wert unter allen 50 Städten. Auf deutsche Einwohner umgerechnet, erreicht München sogar 38,9 Zeitungskäufe pro 100 Einwohnern. München verteidigt damit seinen Platz als deutsche Zeitungs-Stadt Nummer 1, denn schon vor zwei Jahren führte die bayerische Landeshauptstadt das Ranking an. Damals wurden allerdings noch 32,9 Zeitungen pro 100 Einwohner verkauft – drei mehr also. Deutliche Verluste verzeichneten in München u.a. die Abendzeitung, die Bild, Die Welt und das Handelsblatt.
Drei große Sonderfaktoren beeinflussten die Zahlen zusätzlich: Die Financial Times Deutschland wurde seit der Verbreitungsanalyse 2012 eingestellt, die Frankfurter Rundschau hat sich von einer überregionalen Tageszeitungen mit bundesweiten Verkäufen weitgehend zu einem Regionalblatt entwickelt – und die taz nahm diesmal nicht an der Verbreitungsanalyse teil. Doch auch ohne diese Sonderfaktoren hätten sich die Zeitungskäuferzahlen in allen 50 Städten deutlich nach unten entwickelt. Insgesamt wurden in den 50 Städten laut VA 4,31 Mio. Zeitungen verkauft – bei 22 Mio. Einwohnern also 19,6 pro 100 – und bei 18,8 Mio. deutschen Einwohnern 22,9 pro 100.
Recht stabil sind die Daten in Frankfurt geblieben. Mit 27,8 Zeitungskäufern pro 100 Einwohnern liegt die Main-Metropole nur 2,0 unter ihrem 2012er-Wert. Auf den Rängen 3 und 4 folgen zwei Städte aus dem Nordwesten: Oldenburg und Bremen. Düsseldorf folgt auf Platz 5 vor den sächsischen Großstädten Dresden und Chemnitz. Von den Millionenstädten schafften es neben München auch noch Hamburg und Köln in die Top 25 – allerdings nur auf die Ränge 21 und 23.
Tageszeitungskonsum in den 50 größten Städten Deutschlands | |||||
Einwohner | verk. Zeit.* | deutsche Einwohner | verk. Zeit.* | ||
1 | München | 1.370.070 | 29,5 | 1.036.774 | 38,9 |
2 | Frankfurt / Main | 693.672 | 27,8 | 543.952 | 35,4 |
3 | Oldenburg | 161.806 | 24,1 | 149.524 | 26,1 |
4 | Bremen | 543.364 | 23,8 | 472.664 | 27,4 |
5 | Düsseldorf | 592.277 | 23,6 | 483.943 | 28,8 |
6 | Dresden | 529.330 | 22,5 | 503.724 | 23,7 |
7 | Chemnitz | 242.743 | 22,1 | 230.839 | 23,3 |
8 | Lübeck | 208.006 | 22,1 | 193.246 | 23,7 |
9 | Magdeburg | 229.196 | 21,5 | 220.354 | 22,4 |
10 | Bielefeld | 321.819 | 21,2 | 282.679 | 24,2 |
11 | Münster | 291.328 | 21,2 | 271.004 | 22,8 |
12 | Kiel | 240.654 | 20,7 | 218.991 | 22,7 |
13 | Hannover | 526.399 | 20,6 | 449.872 | 24,0 |
14 | Halle/Saale | 230.433 | 20,3 | 220.791 | 21,2 |
15 | Mülheim an der Ruhr | 165.698 | 20,2 | 147.954 | 22,7 |
16 | Braunschweig | 250.633 | 20,2 | 226.787 | 22,3 |
17 | Rostock | 203.332 | 20,1 | 196.637 | 20,8 |
18 | Osnabrück | 164.371 | 19,8 | 150.605 | 21,7 |
19 | Mainz | 201.066 | 19,8 | 167.936 | 23,7 |
20 | Saarbrücken | 175.616 | 19,8 | 150.904 | 23,0 |
21 | Hamburg | 1.793.000 | 19,1 | 1.546.000 | 22,1 |
22 | Dortmund | 579.868 | 19,1 | 486.659 | 22,7 |
23 | Köln | 1.014.556 | 18,9 | 848.195 | 22,6 |
24 | Hamm | 181.493 | 18,9 | 154.995 | 22,1 |
25 | Leipzig | 533.213 | 18,8 | 501.240 | 20,0 |
*verkaufte Zeitungen pro 100 Einwohner (montags bis freitags) | |||||
Rohdaten-Quelle: IVW-VA Tageszeitungen 2014 / Berechnung und Tabelle: MEEDIA |
Berlin belegt trotz der großen Zeitungsvielfalt und dem umkämpften Print-Markt nur Platz 36 der Liste. Nur 17,2 Zeitungen werden täglich unter 100 Einwohnern abgesetzt. Auch Stuttgart findet sich erst im zweiten Teil unserer Tabelle. Ganz am Ende des Rankings folgen fünf NRW-Städte: Mönchengladbach, Gelsenkirchen, Wuppertal, Duisburg und Aachen. Ganze 14,7 Zeitungen pro 100 Einwohnern werden in Aachen verkauft, 15,1 in Duisburg.
Tageszeitungskonsum in den 50 größten Städten Deutschlands | |||||
Einwohner | verk. Zeit.* | deutsche Einwohner | verk. Zeit.* | ||
26 | Stuttgart | 609.885 | 18,7 | 472.983 | 24,0 |
27 | Bonn | 326.131 | 18,3 | 276.990 | 21,5 |
28 | Essen | 570.188 | 18,2 | 499.605 | 20,8 |
29 | Wiesbaden | 276.681 | 18,0 | 224.037 | 22,2 |
30 | Potsdam | 159.224 | 17,9 | 151.639 | 18,8 |
31 | Bochum | 372.407 | 17,8 | 328.932 | 20,2 |
32 | Hagen | 185.714 | 17,7 | 161.861 | 20,4 |
33 | Augsburg | 265.164 | 17,4 | 218.628 | 21,1 |
34 | Erfurt | 204.749 | 17,4 | 197.018 | 18,1 |
35 | Ludwigshafen am Rhein | 165.483 | 17,3 | 128.541 | 22,2 |
36 | Berlin | 3.498.000 | 17,2 | 3.005.000 | 20,0 |
37 | Oberhausen | 210.839 | 17,0 | 182.815 | 19,6 |
38 | Krefeld | 232.898 | 16,8 | 202.366 | 19,3 |
39 | Nürnberg | 504.622 | 16,7 | 419.081 | 20,1 |
40 | Kassel | 196.988 | 16,5 | 173.825 | 18,8 |
41 | Leverkusen | 159.647 | 16,4 | 142.155 | 18,4 |
42 | Karlsruhe | 296.566 | 16,3 | 249.093 | 19,4 |
43 | Herne | 163.420 | 15,9 | 137.928 | 18,9 |
44 | Freiburg im Breisgau | 230.798 | 15,9 | 197.809 | 18,6 |
45 | Mannheim | 312.903 | 15,9 | 238.026 | 20,9 |
46 | Mönchengladbach | 255.695 | 15,7 | 227.332 | 17,7 |
47 | Gelsenkirchen | 253.102 | 15,7 | 216.303 | 18,3 |
48 | Wuppertal | 347.271 | 15,4 | 292.825 | 18,3 |
49 | Duisburg | 483.926 | 15,1 | 401.108 | 18,2 |
50 | Aachen | 258.664 | 14,7 | 215.581 | 17,6 |
*verkaufte Zeitungen pro 100 Einwohner (montags bis freitags) | |||||
Rohdaten-Quelle: IVW-VA Tageszeitungen 2014 / Berechnung und Tabelle: MEEDIA |
Spannend ist auch der Blick auf die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre. Prozentual gesehen gingen die Tageszeitungs-Verkaufszahlen hier in Nürnberg am deutlichsten zurück. 19,4% weniger Zeitungen als noch 2012 werden hier abgesetzt. Einer der Hauptgründe dafür: Die Nürnberger Abendzeitung, die laut VA 2012 noch 18.302 mal in der Stadt verkauft wurde, lebt nicht mehr. Konkurrent Bild konnte davon nicht profitieren: Aus 16.762 Nürnberger Bild-Käufern im Jahr 2012 wurden diesmal 15.743. Über 1.000 weniger also.
Ebenfalls überdeutlich nach unten gingen die Verkaufszahlen in Düsseldorf (-15,6% u.a. wegen dramatischer Verluste beim Düsseldorfer Express), in Gelsenkirchen (-14,2%), in Köln (-14,2%) und in Hamburg (-13,2%). Am stabilsten blieben die Zeitungs-Auflagen in Oldenburg (-2,8%), Bielefeld (-3,4%), Frankfurt/Main (-3,8%), Osnabrück (-5,1%) und Leverkusen (-5,3%).
Ein paar Trends lassen sich aus diesen Zahlen heraus lesen: Eine große Zeitungsvielfalt, bzw. Konkurrenzsituation dient den Verkaufszahlen durchaus. So sind Städte wie München, Frankfurt und Düsseldorf nicht um sonst so weit oben zu finden – auch wenn die großen Zeitungen in Frankfurt ja mittlerweile dem selben Verlagshaus gehören. Eine solche Vielfalt an Titeln führt aber auch nicht dringend zu starken Zahlen – siehe Berlin.
Gute Zahlen gibt es zudem in vielen Ost-Städten wie Dresden, Chemnitz, Magdeburg und Halle/Saale. Hier dürfte das Zeitunglesen eine überdurchschnittlich große Tradition haben, zudem wird das Durchschnittsalter der Bewohner eine Rolle spielen. Jüngere greifen schließlich seltener zur Zeitung als Ältere. So sind die Bewohner in Chemnitz heute beispielsweise im Durchschnitt 7,7 Jahre älter als noch 1990 und auch insgesamt sind die Menschen im Osten älter als die im Westen. Auch im Westen zeigt sich, dass das Alter eine große Rolle spielt. So ist Mülheim an der Ruhr die zweitälteste unter den 50 Städten – und findet sich mit über 20 verkauften Zeitungen pro 100 Einwohnern auf einem insbesondere für NRW-Städte guten Platz 15 unserer Liste.
Zeitungsvielfalt und ältere Bevölkerung sprechen also insgesamt für gute Zeitungsverkäufe, in Städten mit Regionalzeitungsmonopol und vielen jüngeren Einwohnern werden tendenziell weniger Blätter verkauft.
Anmerkung: In der ersten Version dieser Analyse wurden wegen eines technischen Fehlers die ePaper-Verkäufe von Bild, Welt und Süddeutscher Zeitung nicht mit einberechnet. Durch die Aktualisierung änderten sich einige Verkauf-pro-100-Einwohner-Werte hinter dem Komma – meist um 0,1. Hamburg, Köln, Bonn und Augsburg machten jeweils einen Platz gut.